Gestern auf unserem Bücherbasar gefunden (die Kollegin hatte es aus dem Urlaub mitgebracht) und abends daheim direkt verschlungen. „Gut gegen Nordwind“ von Daniel Glattauer. Ich weiss gar nicht so genau, was mich daran angezogen hat. Das Cover ist eigentlich ganz nett, der Titel mysteriös, der Klappentext macht neugierig.Trotzdem.. eigentlich nicht meine Lektüre…
Aber da ich momentan auf „Lesestoff-Entzug“ war, wurde es mitgenommen, auch wenn es ein mir eigentlich sehr wichtiges Kriterium nicht erfüllt hat: es war nicht dick! Dünne Bücher sind so schnell ausgelesen… Glaubt’s mir, für einen Schnell- und Intensivleser wie mich geht das nicht nur ins Geld, nein, es ist teilweise regelrecht frustrierend 😐 .
Aber zurück zum Buch:
2 Menschen, die sich durch einen Adressirrtum Emails schreiben und sich dadurch immer näher kommen. 2 Menschen, die in der Anonymität des Internets Intimität erfahren. Die sich so nah sind, obwohl sie sich nie getroffen haben und nie richtig treffen werden. Emmi, die verheiratete „Schuhgröße 37- Emmi“ und Leo, „Herr Professor“, der gerade erst eine schlimme Trennung hinter sich hat. 2 Welten, die durch Zufall aufeinander treffen. Der Reiz des Verbotenen? Zuerst unverbindlich, dann immer intensiver wird der Austausch. Die Themen werden persönlicher, die Gefühle schwieriger.
Amüsant, vielschichtig, eine wunderbare Sprache (was man angesichts der Tatsache, dass es ein Briefroman ist und nur Emails abgebildet werden, ja eigentlich nicht so vorstellen kann…). Das Thema so alt und doch so neu?
Was mich fasziniert hat, ist die Leichtigkeit, mit der Glattauer hier ein grosses Problem unserer Zeit darstellt. Das Internet macht uns einander so vertraut, bringt uns so nahe beieinander. Und doch sind wir voneinander getrennt, werden vielleicht nie die realen Personen kennenlernen. Kann man Gefühle und Befindlichkeiten in Schrift so ausdrücken, dass das Gegenüber sie erkennt? Emmi flieht in ihre „Aussenwelt“ mit Leo, wird immer weiter in den Strudel dieser „Beziehung“ gesogen. Die Dinge entwickeln sich rasant und entwickeln eine Eigendynamik. Wem ist es nicht schon passiert, dass er in der Anonymität des Internets Dinge preisgegeben hat, die er in seinem realen Umfeld niemals eingestehen würde? Das Internet bietet vielfältige Möglichkeiten, macht uns frei und legt uns gleichzeitig Fesseln an und bindet uns. Wir kokettieren mit dem Anderen, denn wir wissen, dass wir niemals in Gefahr sind, da wir uns niemals treffen werden. Und gleichzeitig wächst dann der Wunsch das Gegenüber kennenzulernen.
Ein Buch, das zum Nachdenken anregt (mich zumindest 😉 ) und einen relativ unbefriedigt zurücklässt. Kein Happy-End, keine Lösung. Nein.
Eine geänderte Email-Adresse
P.S.: Es gibt eine Fortsetzung: „Alle sieben Wellen“… die Leseprobe macht neugierig. Auch wenn ich nicht weiss, ob ich sie lesen will. Man kann zuviel hineininterpretieren.